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aber nicht, entweder weil die Kleider voll Wassers mich zurückzogen,
oder vielmehr weil Gott solches nicht haben wollte, daß ich da sterben
sollte. Denn wie ein trunkener Mann hin und her taumelt, also
auch ich und komme auf die andere Seite gegen den Hinteren Brau-
hof. Da sie nun merkten, ich würde im Zwinger aussteigen, laufen
sie in die Stadt und nehmen mehr Gesellen zu sich, passen unten bei
den Gerberhäusern auf, ob ich ihnen kommen würde. Aber als ich dieses
merkte, daß ich jetzo allein war, blieb ich im Wasser stecken und steckte
meinen Kopf unter einen dichten Weidenbusch und ruhte im Wasser
vier oder fünf Stunden, bis es Nacht und in der Nacht stille wurde.
Dann kroch ich halbtot heraus, konnte der Schläge wegen fast keinen
Atem holen. Ging dann über die Brunnenröhren, den Wasserfluß
immer hinab und kletterte über einen Weidenstamm, daß ich die andere
Seite erreichte."
Bötzinger rettete sich diesmal nach Koburg. Als er nach langen
Irrfahrten wieder zu seiner Familie kam, fand er „die Kinder schier
vor Hunger verdorben. Sie hatten die Zeit über nicht Kleie genug
kaufen können zu Brot."
Den Frieden erlebte Bötzinger als Pfarrer zu Heubach, wohin
er 1647 versetzt worden war, und wo er erst 1673 im vierundsiebzigsten
Jahre seines Lebens starb.
Richter, Quellenbuch.
92. Gustav Adolf als Feldherr.
Gustav Adolf war ohne Widerspruch der erste Feldherr seines
Jahrhunderts und der tapferste Soldat in seinem Heere, das er sich
selbst erst geschaffen hatte.
Ganz Deutschland hatte die Manneszucht bewundert, durch welche
sich die schwedischen Heere auf deutschem Boden in den ersten Zeiten
so rühmlich auszeichneten. Alle Ausschweifungen wurden aufs strengste
geahndet; am strengsten Gotteslästerung, Raub, Spiel und Duell. In
den schwedischen Kriegsgesetzen wurde die Mäßigkeit befohlen; auch er-
blickte man in dem schwedischen Lager, das Gezelt des Königs nicht
ausgenommen, weder Silber noch Gold. Das Auge des Feldherrn
wachte mit eben der Sorgfalt über die Sitten der Soldaten wie über
die kriegerische Tapferkeit. Jedes Regiment mußte zum Morgen- und
Abendgebet einen Kreis um seinen Prediger schließen und unter freiem
Himmel seine Andacht halten. In allem diesen war der Gesetzgeber
zugleich Muster. Eine ungekünstelte, lebendige Gottesfurcht erhöhte den
TM Hauptwörter (50): [T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand]]
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Extrahierte Personennamen: Bötzinger Bötzinger Gustav_Adolf Gustav Adolf Gustav_Adolf Gustav Adolf
205
Mut, der sein großes Heer beseelte. Alles Ungemach des Krieges er-
trug er gleich dem Geringsten aus dem Heere; mitten in dem schwärzesten
Dunkel der Schlacht war es licht in seinem Geiste; allgegenwärtig mit
seinem Blicke, vergaß er den Tod, der ihn umringte; stets fand man
ihn auf dem Wege der furchtbarsten Gefahr. Seine natürliche Herz-
haftigkeit ließ ihn nur allzuoft vergessen, was er dem Feldherrn schuldig
war, und dieses königliche Leben endigte der Tod eines Ge-
meinen. Aber einem solchen Führer folgte der Feige wie der Mutige
zum Siege, und seinem beleuchtenden Adlerblicke entging keine Heldenthat,
die sein Beispiel geweckt hatte. Der Ruhm ihres Beherrschers ent-
ziindete in der Nation ein begeisterndes Selbstgefühl; stolz auf diesen
König, gab der Bauer in Finnland und Gotland freudig seine Armut
hin, verspritzte der Soldat freudig sein Blut, und der hohe Schwung,
den der Geist dieses einzigen Mannes der Nation gegeben, überlebte
noch lange Zeit seinen Schöpfer.
Schiller.
93. Der deutsche Bauer vor und nach dem Dreißig-
jährigen Kriege.
1. Deutschland galt um das Jahr 1618 für ein reiches Land.
Selbst der Bauer hatte in dem langen Frieden einige Wohlhäbigkeit
erlangt. Breiter Graben, Zaun oder Wand von Lehm und Steine
umgrenzten oft die Stätte des Dorfes, an den Hauptstraßen hingen
Thore, welche zur Nacht geschloffen wurden. Dorf und Flur wurden
durch Tag- und Nachtwächter beschritten. Die Häuser waren zwar von
Holz und Lehm in ungefälliger Form, aber sie waren nicht arm an
Hausrat und Behagen. Alte Obstbaumpflanzungen standen um die
Dörfer, in den eingefriedeten Höfen tummelten sich große Scharen von
kleinem Geflügel, auf den Stoppeläckern lagen mächtige Gänseherden.
Große Herden von Schafen und Rindern grasten auf steinigen Höhen-
zügen und in den fetten Riedgräsern. Die Wolle stand gut im Preise,
die deutschen Tuche waren berühmt und Tuchwaren der beste Ausfuhr-
artikel. Dem Ackerbau lag man in vielen Gegenden mit großem Vorteil
ob. Die Wiesen waren sorgfältiger behandelt als zweihundert Jahre
später, Abzugs-, ja Bewässerungsgräben ziehen und erhalten war
gebräuchlich.
2. Fast seit hundert Jahren waren wenigstens in allen Kirch-
dörfern Schulen, und ein Teil der Dorfbewohner war des Schreibens
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Extrahierte Personennamen: Schiller
Extrahierte Ortsnamen: Finnland Gotland Deutschland
206
und Lesens kundig. Der Gegensatz zwischen dem Landmann und Städter
war damals größer als jetzt, der „dumme Bauer" war in den Stuben
der Handwerker ein Lieblingsgegenstand unholder Scherze; Roheit,
Einfalt, unredliche Pfiffigkeit, Trunkliebe und Freude am Prügeln
wurden ihm nachgesagt. Nicht immer mit Recht. Wohl lebte er in
ziemlicher Unkenntnis fremder Verhältnisse; in Tracht, in Sprache und
Liedern war er nicht modisch wie die Städter; er gebrauchte gern derbe,
alte Worte, welche der Städter sich längst abgewöhnt hatte, aber sein
Leben war deshalb nicht arm an Gemüt, an Sitte, selbst nicht an
Poesie. Noch hatte der verklingende deutsche Volksgesang einiges Leben,
und der Landmann war der eifrigste Bewahrer desselben; noch waren
die Feste des Bauern, sein Familienleben, seine Rechtsverhältnisse, seine
Käufe und Verkäufe reich an alten farbenreichen Bräuchen. Auch die
echte deutsche Freude an hübscher Handwerksarbeit, das Behagen an
kunstvollen Erbstücken teilte der Landmann damals mit dem Bürger.
Sein Hausgerät war stattlicher als jetzt. Zierliche Spinnräder, sauber
ausgeschnittene Tische, geschnitzte Stühle und Wandschränke haben sich
bis auf unsere Zeit erhalten und werden jetzt mit den irdenen Apostel-
krügen und ähnlichem Trinkgeschirr von Kunstsammlern angekauft. Groß
muß der Schatz der Bauerfrauen an Betten, Kleidern, Wäsche, an
Ketten, Schaumünzen und anderm Schmuck gewesen sein, und nicht
weniger begehrungswürdig waren die zahlreichen Würste und Schinken
im Rauchfange. Auch viel bares Geld lag versteckt in den Winkeln
der Truhe oder sorglich in Töpfen und Kesseln vergraben, denn das
Aufsammeln der blanken Stücke war eine alte Bauernfreude. Das
Leben des Bauern war reichlich, ohne viele Bedürfnisse, er kaufte in
der Stadt die Nesteln für seine Kleider, den silbernen Schmuck für
Weib und Töchter, Würze für seinen sauern Wein und was von Metall-
waren und Gerät in Hof und Küche nötig war. Die Kleider von
Wolle und Leinwand webten und schnitten die Frauen im Hause oder
der Nachbar im Dorfe.
3. So lebte der Bauer in Mitteldeutschland noch nach dem Jahre
1618. Wohl kamen auch zu ihm Nachrichten von wildem Kriegs-
getümmel hinten in Böhmen, aber das kümmerte ihn wenig; was
ging es ihn an, was in den Ländern des Kaisers geschah? Doch
bald wurde ihm deutlich, daß eine schlechte Zeit auch für ihn heranziehe.
Das Geld, welches er in der Stadt empfing, wurde sehr rot, und alle
Waren wurden teurer. Da er kein schlechtes Geld annehmen wollte,
behielt er Getreide und Fleisch zu Hanse und zog gar nicht mehr nach
der Stadt. Sein Herz wurde voll böser Ahnungen. So ging es bis
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207
zum Jahre 1623. Da sah er das Unheil noch von anderer Seite
heranziehen. Die Diebstähle und Einbrüche mehrten sich, fremdes Ge-
sindel wurde oft auf den Landstraßen gesehen, Trompeter sprengten
mit schlimmen Nachrichten nach den Städten, angeworbenes Kriegsvolk
zog prahlerisch und frech vor seinen Hof, forderte Unterhalt, stahl
Würste und nahm Hühner im Schnappsack mit.
4. Endlich begannen — für Thüringen seit 1623 — die Durch-
märsche fremder Truppen, und die großen Leiden des Krieges senkten
sich auf ihn. Fremdes Kriegsvolk von abenteuerlichem Aussehen, durch
Blut und Schlachten verwildert, marschierte in sein Dorf, legte sich
ihm ins Haus, mißhandelte ihn und die Seinen, forderte Zehrung und
Geschenke und zerschlug, verwüstete und plünderte doch noch, was ihm
vor Augen kam. Banden folgten auf Banden, mehr als ein Heer setzte
sich um ihn herum in Winterquartieren fest, die Lieferungen und
Quälereien schienen endlos. Mit Entsetzen sah der Bauer, daß die
fremden Soldaten mit einer Spürkraft, die er der Zauberei zuschrieb,
aufzufinden wußten, was er tief in der Erde versteckt hatte. Wenn er
ihnen aber zu schlau gewesen war, so wurde sein Los noch schlechter,
dann wurde er selbst ergriffen und durch entsetzliche Qualen gezwungen,
das Versteck seiner Schätze anzugeben. Aber die Wirtschaft des Land-
mannes ward noch in anderer Weise verwüstet. Sein Knecht hatte
vielleicht einige Jahre die Schläge der fremden Soldaten ertragen,
zuletzt lief er selbst unter die, welche schlugen. Die Gespanne wurden
vom Pfluge gerissen, die Herden von der Weide geholt und dadurch
die Bestellung der Felder oft unmöglich gemacht.
5. Und doch, wie jammervoll und hilflos seine Lage war, in der
ersten Hälfte des Krieges war auch das Schrecklichste noch verhältnis-
mäßig erträglich. Denn noch hielt einige Mannszucht wenigstens die
regelmäßigen Heerhaufen zusammen, und ein und das andere Jahr
verlief ohne große Truppenzüge. Freilich die Wirkungen, welche ein
solches Leben voll Unsicherheit und Qual auf die Seelen der Land-
leute ausübte, waren sehr traurig. Eine bebende, klägliche Furcht
umzog lähmend die Herzen. Aber auch Trotz und wilde Verzweiflung
bemächtigte sich der Seelen. Die sittliche Verwahrlosung nahm im
Landvolke furchtbar überhand. Die Gewohnheiten, Laster und Krank-
heiten der durchziehenden Heere blieben zurück, selbst wenn die Räuber
aus dem verwüsteten und halb zerstörten Dorf abzogen. Das Brannt-
weintrinken wurde ein gewöhnliches Laster. Die Achtung vor fremdem
Eigentum verschwand. Der Landmann begann zu stehlen und zu
rauben wie der Soldat. Bewaffnete Haufen rotteten sich zusammen,
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208
zogen über die Landesgrenze in andere Dörfer und entführten, was
sie bedurften. Sie lauerten den Nachzüglern der Regimenter in dichtem
Wald oder in Gebirgspässen auf und nahmen oft nach hartem Kampf
an dem Leben der Bezwungenen eine harte Rache, ja sie überboten
die Fertigkeit der Soldaten in Erfindung von Todesqualen. Es wird
nur wenige Waldhügel geben, in deren Schatten nicht greuliche Unthat
von solchen verübt ist, welche dort früher als friedliche Holzfäller und
Steinbrecher ihr kunstloses Lied gesungen hatten.
6. Nach Kräften suchten sich die Dörfer vor der Raubgier der
Soldaten zu wahren. Solange noch Geld aufzutreiben war, machten
sie Versuche, durch Zahlung einer Geldsumme an die vorausgefandten
Offiziere die Einquartierung abzukaufen. Auf die Kirchtürme und
hohen Punkte der Flur wurden Wachen gestellt, die ein Zeichen
gaben, wenn Truppen in der Ferne sichtbar wurden. Dann brachte
der Landmann, was er retten konnte, die Frauen und Kinder und
leicht bewegliche Habe, eilig in ein entferntes Versteck. Solche Ver-
stecke wurden mit großem Scharfsinn ausgesucht, durch Nachhilfe noch
unzugänglicher gemacht, und Wochen-, ja monatelang fristeten dort
die Flüchtlinge ihr angstvolles Dasein. Im schwarzen Moor zwischen
Gräben, Buchen und Erlengebüsch, in dunkler Waldschlucht, in alten
Lehmgruben und in verfallenem Mauerwerk suchten sie die letzte
Rettung. Waren die Soldaten abgezogen, dann kehrten die Flücht-
linge in ihre Häuser zurück und besserten notdürftig aus, was
verwüstet war. Nicht selten freilich fanden sie nur eine rauchende
Brandstätte.
7. Auch nicht alle, welche geflohen waren, kamen zurück zur
heimischen Flur. Das wilde Leben im Versteck und Walde, die rohe
Freude an Gewaltthat und Beute machte die Trotzigsten zu Räubern.
Mit rostigen Waffen versehen, führten sie unter den Fichten der Berge
ein gesetzloses Leben, als Gefährten des Wolfes und der Krähe, als
Wilddiebe und Wegelagerer.
8. So verminderte sich die Bevölkerung des flachen Landes mit
reißender Schnelligkeit. Schon um 1632 waren manche Dörfer ganz
verlassen, und noch immer nahm das Unheil zu. Das schlecht bebaute
Land hatte schlechte Ernten gegeben, Teuerung und Hungersnot folgte,
und in den Jahren 1635 und 1636 ergriff eine Seuche, so schrecklich,
wie sie seit fast hundert Jahren in Deutschland nicht gewütet hatte,
die kraftlosen Leiber. Sie breitete ihr Leichentuch langsam über das
ganze deutsche Land, über den Soldaten wie über den Bauern; die
Heere fielen auseinander unter ihrem sengenden Hauch; viele Orte
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209
verloren die Hälfte ihrer Bewohner, in manchen Dörfern Frankens
und Thüringens blieben nur einzelne übrig. — Der Krieg aber wütete
von dieser Schreckenszeit ab noch zwölf lange Jahre. Die Heerhaufen
wurden kleiner, ihre Bewegungen aus Mangel an Lebensmitteln und
Tieren unsteter und planloser; wo aber die Kriegsflamme aufloderte,
da fraß sie erbarmungslos, was sich noch von Leben zeigte. Von den
Landlenten ist aus dieser letzten Zeit wenig zu berichten. Sie waren
verwildert und führten ein hoffnungsloses Dasein.
9. Es ist wahrscheinlich, daß sich das Landvolk ganz in schwärmende
Banden aufgelöst hätte, und daß die Städte niemals iin stände gewesen
wären, ein neues Volksleben hervorzubringen, wenn nicht drei Gewalten
den deutschen Landmann vor der gänzlichen Zerstörung bewahrt hätten:
seine Liebe zu dem väterlichen Acker, die Bemühungen seiner Obrigkeit
und der Eifer seines Seelsorgers, des Dorspfarrers.
10. Des Bauern Liebe zur eigenen Flur war im siebzehnten Jahr-
hundert noch um vieles mächtiger als jetzt. So lief er mit Zähigkeit
immer wieder ans seinem Versteck nach dem zerstörten Hof und ver-
suchte immer wieder die zerstörten Ähren zusammenzulesen oder in das
niedergetretene Land den wenigen Samen zu streuen, den er sich gerettet
hatte. Wenn sein letztes Zugtier geraubt war, spannte er sich selbst
an den Pflug. Er hütete sich wohl, seinem Hause ein wohnliches An-
sehen zu geben, er gewöhnte sich, in Schmutz und Ruinen zu hausen,
und verbarg das flackernde Feuer des Herdes vor den raubgierigen
Blicken, welche vielleicht durch die Nacht nach einem warmen Neste
suchten. Die kärgliche Speise versteckte er an Orte, vor welchen selbst
dem ruchlosen Feinde graute, in Gräber und Särge.
11. Fast ebenso großes Interesse als der Bauer selbst hatten sein
Landesherr und dessen Beamte, die Dörfer zu erhalten. Von der
Hauptstadt aus kümmerten sich die Regierungen durch ihre Amtleute,
Vögte und Steuereinnehmer um das Schicksal der Dörfer. Berichte,
Eingaben und Verfügungen liefen bei all dem Elend hin und her, und
mancher arme Schulmeister verrichtete gehorsam seinen Dienst als Ge-
meindeschreiber, während der Schnee durch die zerschlagenen Fenster in
seine Schulstube hineinwehte und die Gemeindekasse zerbrochen auf
der Straße lag.
12. Das höchste Verdienst aber um die Erhaltung des deutschen
Volkes erwarben sich die Landgeistlichen in diesen Zeiten der Armut,
der Trübsal und der Verfolgung. Sie waren den größten Gefahren
ausgesetzt; die Roheiten, welche sie mit den Ihrigen zu erdulden hatten,
trafen tödlich ihr Ansehen in der eigenen Gemeinde. Ihr Leben wurde
B. Y. r. 14
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168
„Und dann?“ —
„Dann werd ich mich zur Ruhe setzen, an meiner Kinder
Glück mich freuen, ihre Liebe geniefsen und ein glückseliges
Alter haben.“
„Und dann?“
„Dann ? — Nun — immer kann man nicht auf dieser Erde
bleiben, und, wenn mans könnte, es wäre nicht einmal gut, —
dann freilich, dann — muss ich sterben!“ —
„Und dann?“ rief der Alte wieder, fasste ihn an beiden
Händen und sah ihm in die Augen. „Mein Sohn! Und
dann?“ —
Da verfärbte sich der muntere Jüngling und fing an zu
zittern, und die Thränen stürzten ihm aus den Augen. — „Hab
Dank, mein Vater,“ sprach er endlich, „ich hatte die Haupt-
sache vergessen, dass dem Menschen gesetzt ist, einmal zu
sterben „und dann“ — das Gericht. Aber von heut an solls
nicht mehr geschehen ! “ Caspari.
75. Die Kreuzschau.
1. Der Pilger, der die Höhen überstiegen,
Sah jenseits sck)on das ausgespannte Thal
In Abendglut vor seinen Füßen liegen.
2. Auf duftges Gras im milden Sonnenstrahl
Streckt' er ermattet sich zur Ruhe nieder,
Indem er seinem Schöpfer sich befahl.
3. Ihm fielen zu die matten Augenlider,
Doch seinen wachen Geist enthob ein Traum
Der irdschen Hülle seiner trägen Glieder.
4. Der Schild der Sonne ward im Himmelsraum
Zu Gottes Angesicht, das Firmament
Zn sei.' nn Kleid, das Land zu dessen Saum.
5. „Du wirst dem, dessen Herz dich Vater nennt,
Nicht, Herr, im Zorn entziehen deinen Frieden,
Wenn seine Schwächen er vor dir bekennt.
6. Daß jedes Menschenkind sein Kreuz hienieden
Auch duldend tragen muß, ich weiß es lange,
Doch sind der Menschen Last und Leid verschieden.
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169
7. Mein Kreuz ist allzuschwer; sieh, ich verlange
Die Last nur angemessen meiner Kraft;
Ich unterliege, Herr, zu hartem Zwange."
8. Wie er so sprach zum Höchsten kinderhaft,
Kam brausend her ein Sturm, und es geschah
Daß aufwärts er sich fühlte hingerafft.
9. Und wie er Boden faßte, fand er da
Sich einsam in der Mitte räumger Hallen,
Wo ringsum sonder Zahl er Kreuze sah.
10. Und eine Stimme hört' er dröhnend hallen:
„Hier aufgespeichert ist das Leid; du hast
Zu wählen unter diesen Kreuzen allen."
11. Versuchend ging er da, unschlüssig fast,
Von einem Kreuz zum anderen umher,
Sich auszuprüfen die bequemre Last.
12. Dies Kreuz war ihm zu groß und das zu schwer,
So schwer und groß war jenes andre nicht,
Doch, scharf von Kanten, drückt es desto mehr.
13. Das dort, das warf wie Gold ein gleißend Licht,
Das lockt' ihn, unversucht es nicht zu lassen;
Dem goldnen Glanz entsprach auch das Gewicht.
14. Er mochte dieses heben, jenes fassen,
Zu keinem neigte noch sich seine Wahl,
Es wollte keines, keines für ihn paffen.
15. Durchmustert hatt' er schon die ganze Zahl —
Verlorne Müh! Vergebens wars geschehen!
Durchmustern mußt er sie zum andernmal.
16. Und nun gewahrt' er, früher übersehen,
Ein Kreuz, das leidlicher ihm schien zu sein,
Und bei dem einen blieb er enbltcf) stehen.
17. Ein schlichtes Marterholz, nicht leicht, allein
Ihm paßlich und gerecht nach Kraft und Maß.
„Herr," rief er, „so du willst, dies Kreuz sei mein!"
18. Und wie ers prüfend mit den Augen maß —
Es war dasselbe, das er sonst getragen,
Wogegen er zu murren sich vermaß.
Er lud es auf und trugs nun sonder Klagen.
Chamisso.
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212
gehauen, die Stadt wurde geplündert und dann an den vier Ecken in
Brand gesteckt, so daß alle Bewohner, welche sich in die Keller geflüchtet
hatten, elend umkamen. Nach Wegräumung des Schuttes wurden aus
einem einzigen Keller 50 Leichen hervorgezogen. Von der Stadt waren
außer der Gottesackerkirche nur 7 Häuser stehen geblieben. Ebenso
schrecklich war die Zerstörung von Weida. Von dem Tüllen-, später
sogenannten Tilly-Berge flogen die Brandraketen zuerst auf die Kirche
nieder, und bald stiegen von mehreren Seiten zugleich schwarze Rauch-
wolken ans, und züngelnde Flammen liefen rasch an den Schindeln
empor von Dach zu Dach. Als alles in Flammen stand, kam Holck
und weidete sich an dem grausigen Brande der unglücklichen Stadt.
Der größte Teil der Alt- und Neustadt, die Peterskirche, die St. Annen-
kirche, das Schloß und alle öffentlichen Gebäude waren ein Raub des
Feuers geworden, und lange noch ragte die Ruine der Marienkirche
mit der anstehenden Superintendentur schauerlich empor. Der blühende
Wohlstand Weidas war von diesem Unglückstage an vernichtet, Fabriken
und Handel wandten sich fortan nach Gera. Im folgenden Jahre,
1634, legte ein Großfeuer, welches kaiserliche Soldaten angesteckt
hatten, in Schleiz mehr als 154 Gebäude vor dem böhmischen Thore
und in der Nikelsgasse in Asche.
Gera sowie das umliegende Land war von größerem Unglücke
verschont geblieben, solange Heinrich Posthumus lebte. Nach seinem
Tode aber, Ende 1635, brachen die Schrecken des Krieges in vollem
Maße über Stadt und Land herein. Ein Heer folgte auf das andere,
und es war für die unglücklichen Bewohner ganz gleich, ob die Sachsen
oder die Bayern, die Kaiserlichen oder die Schweden einrückten. Alle
traten als Feinde auf, und jedes folgende Heer suchte das vorher-
gehende an Brand und Plünderung, an unerhörten Grausamkeiten und
unmenschlichen Mißhandlungen zu übertreffen. Am schlimmsten trieben
es die Schweden; sie warfen die Menschen in die Backofen und ließen
sie braten, nagelten Kinder an die Hansthüre und benutzten sie als
Zielscheiben; sie sägten den Männern die Kniescheiben halb durch,
schnitten ihnen die Fußsohlen auf und streuten Salz und Gerste in
die klaffenden Wunden, legten sie auf die Erde, steckten ihnen einen
Trichter in den Mund und füllten so lange Mistjauche hinein, bis
der Leib zum Zerspringen aufschwoll und der Gemarterte starb.
Am schrecklichsten ging es in den Jahren 1639 und 1640 zu.
Kurz vor Ostern lagen Schweden in Gera. Eine andere Abteilung
rückte heran; sie führte erbeutetes Vieh in großer Menge mit sich
und wollte dies an die Bürger verkaufen. Aus Furcht, daß die Pest
TM Hauptwörter (50): [T36: [Stadt Mauer Tag Dorf Haus Burg Land Bauer Feind Bürger], T5: [Haus Tag Kind Hand Herr Tisch Mann Fenster Wagen Pferd]]
TM Hauptwörter (100): [T23: [Stadt Feind Tag Heer Mauer Mann Lager Nacht Kampf Soldat], T76: [Stadt Straße Haus Schloß Kirche Gebäude Mauer Platz Garten Dorf], T91: [Haus Fenster Wand Stein Dach Zimmer Holz Feuer Raum Decke], T16: [Ende Körper Strom Bild Hebel Hand Auge Wasser Gegenstand Seite], T17: [Gott Herr Mensch Wort Leben Herz Welt Hand Vater Himmel]]
TM Hauptwörter (200): [T143: [Stadt Kind Tag Haus Straße Mann Mensch Weiber Nacht Soldat], T142: [Stadt Dorf Mauer Haus Burg Straße Kirche Schloß Graben Zeit], T94: [Stadt Fabrik Handel Dorf Schloß Weberei Einwohner Einw. Nähe Bergbau], T59: [Tod Leben Volk Herz Freund Mann Wort König Tag Feind], T125: [Haus Stein Fenster Dach Holz Stroh Winter Erde Wand Wohnung]]
Extrahierte Personennamen: Gera Schleiz Heinrich_Posthumus Heinrich
Extrahierte Ortsnamen: Weida Nikelsgasse Gera Sachsen Schweden Gera
213
wieder eingeschleppt werden könnte, wurde der Ankauf verboten, und
die Thore der Stadt wurden geschlossen. Die erbitterten Soldaten zündeten
am ersten Feiertage die Scheunen vor dem Leumnitzer-, Biblacher- und
Schloßgatter an. Das Feuer ergriff die nächsten Häuser, und noch
vor Abend lag der dritte Teil der Stadt mit der Johanniskirche und
dem neu erbauten Gymnasium in Schutt und Asche.
Einige Monate später rückten die Schweden heran, um die Sachsen,
welche sich in Gera einquartiert hatten, zu überfallen. Die ganze
Gegend war von Kriegsvolk überschwemmt. Ronneburg wurde drei
Tage geplündert, und alle Dörfer an der Heerstraße wurden in Brand
gesteckt. Viele unter ihnen, wie Vollersdorf im Geraer Stadtwalde,
Speutewitz bei Trebnitz, Zochendorf bei Laasen, Berthelsdorf bei
Korbussen und andere, sind damals vom Erdboden ganz verschwunden.
Im Jahre 1640 wurde ganz besonders das Oberland heimgesucht,
erst von den Kaiserlichen, als diese die Schweden vor sich Hertrieben,
und dann von diesen, als sie die Kaiserlichen zurückjagten. Hierbei
gingen Saalburg, wo die Kaiserlichen sich festgesetzt hatten, aber von
den Schweden herausgetrieben wurden, bis auf das Schloß und das
Amthaus, Tanna bis auf drei Häuser in Flammen auf; ebenso wurde
die Burg zu Lobenstein in Trümmer gelegt, und die Dörfer an der
Lemnitz wurden eingeäschert, weil die Bauern dem Raube ihres Viehes sich
widersetzten. In Seubtendorf brannten sämtliche Häuser bis auf drei
ab. Das Land war so ausgeplündert, daß an manchen Orten weder
Gans noch Henne, weder Hund noch Katze blieben und viele Menschen
vor Hunger starben. In Leitlitz waren alle Einwohner bis auf zwei
umgekommen, und in Göttendorf war kein Mann zu finden. Es gab fast
kein Dorf, in welchem nicht drei und mehr Güter leer standen, weil
die Besitzer gestorben oder verdorben waren; in Hohenleuben wurde
ein ganzes Bauerngut um ein einziges Brot verkauft.
Ein gut Teil der Leute, welche Feuer, Schwert und Hunger ver-
schont hatte, wurde von der Pest hingerafft. Gera allein wurde während
des Krieges nicht weniger als siebenmal von ihr heimgesucht. 1626
und 1627 wütete sie so arg, daß die Bauern der Umgegend nichts
mehr in die Stadt hinein bringen wollten; daher wurde der Markt
vor der Stadt teils auf den Gebinden, teils auf der großen Brücke
abgehalten. 1630 flüchteten die reichen und vornehmen Leute vor der
Pest aus der Stadt, und die Herrschaftliche Kanzlei wurde nach
Langenberg verlegt. 1633 starben allein im August 580 und 1637
im Juli 500 Menscheu an dieser Krankheit. Die Thore standen Tag
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